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Muskelbepackte, schon karikaturhaft klotzige, uniformierte oder in Lederkluft gewandete Männer – damit wurde Tom of Finland, so der Künstlername von Tuoko Laaksonen, bekannt. Er zeichnete erotische bis offen pornografische schwule Comicbilder, hauptsächlich von Bikern, Polizisten und Soldaten.
Seine Zeichnungen werden durchaus kritisiert: das Klischeehafte, das Militaristische, insbesondere auch, dass einige Uniformen (gerade in Toms Frühwerk, das aber eigentlich auch nie zum Veröffentlichen gedacht war) ziemlich an NS-Uniformen erinnern – allerdings zeichnete Tom (geboren 1920) eben das, was er in den 40er Jahren erlebte und was seine Gedanken beschäftigte, und in Helsinki waren damals etliche deutsche Soldaten stationiert; außerdem soll seine erste Liebe als junger Mann ein deutscher Luftwaffenpilot gewesen sein (was, denke ich, auf die Zeichnungen, die zu der Zeit entstanden, einen sehr großen Einfluss gehabt haben dürfte). Mit dem Machohaften, überzeichnet Männlichen wollte er außerdem bewusst ein Gegenbild zu den damaligen Vorurteilen gegenüber Schwulen schaffen, sie galten als schwach, verweiblicht und krank – da ist der muskulöse, starke, dominante Soldat oder Polizist natürlich das treffende Gegenbild.
Ob das (Pornografisches, Militaristisches) Kunst ist oder nicht, ob es “in Ordnung” ist, Uniformen zu fetischisieren, die an Deutschlands schlimmste Epoche erinnern – das soll hier nicht das Thema sein; das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich erwähne das alles eher, weil ich glaube, dass es ganz gut beschreibt, was man erwartet, wenn man diesen Duft vor sich hat… Geballte schnauzbärtige Männlichkeit, Leder-Fetisch und schwitzige schwule Erotik 😉 Ich habe es zwar nicht so mit schnauzbärtigen Muskelmännern, selber entspreche ich dem Bild naturgemäß auch eher weniger – aber den Duft musste ich trotzdem unbedingt testen 😀
Anfangs ist er sehr heftig. Wirklich, ein richtiger Schlag. Kräftiges grobes Leder, dazu eine brisige Aldehydnote, und letztendlich sogar eine große Menge Gummi (eine gewisse reinigungsmittelartige “Quietschigkeit” ist auch vorhanden; ich nehme mal an, das ist die Zitrone). Die Intensität ist für die ersten Momente regelrecht überwältigend (später ist der Duft in Sillage und Haltbarkeit auch noch etwas überdurchschnittlich, aber nicht in diesem extremem Ausmaß).
Nach einigen Momenten allerdings nehmen Zitrone und Aldehyde merklich ab, stattdessen rieche ich, neben Leder und (abnehmend) Gummi, immer mehr hautartigen, aber nicht wirklich schmutzigen, Moschus – und tolle Räucherwerk-Akzente, von Styrax und Ambra – dazu eine wunderschön rauchige Birkenteernote. Räucherwerk und Leder harmonieren sowieso ziemlich gut, hier passt die Gewichtung wirklich perfekt.
Danach kommt erst einmal eine pfefferig-würzige Phase (Geranie spielt ins Würzig-Scharfe mit hinein, auch die Vetivernote wirkt etwas kratzig), die es für meine Nase nicht zwingend hätte geben müssen; allerdings folgt dem kurzen Intermezzo im Gewürzladen ein schöner Ausflug in den Nadelwald – ein schönes Tannennadelaroma, holzige Noten, auch etwas erdiger Waldboden. Und dazu wieder frische (Aldehyd-)Luft. Ob das nun ein Motorrad-Ausflug durch eine waldige Landschaft ist, oder ein Spaziergang zu Fuß, mit regenfester Lederjacke und aus derbem Leder gefertigten Stiefeln, sei mal dahingestellt – Ich rieche auf jeden Fall eine erstaunlich atmosphärische Mischung aus Leder und Wald, dazu bisschen Haut, ja, letztere wirkt letztendlich durchaus auch ein wenig salzig (es ist ein warmer Tag)…
Mit der Zeit wird der Lederduft immer dezenter, er wird moschus- und galbanumbedingt puderiger, dazu kommt eine sanfte, cremige, aber keineswegs auffallend süße, Vanille- und Tonka-Mixtur zum Vorschein. Iris sorgt für einen Hauch von Körperpflegecreme… So wirkt der Duft dann schon auch irgendwie ein wenig gepflegter und frischer/sauberer.
Insofern: Für mich, abgesehen vom heftigen Auftakt, kein “extremer” Lederduft. Nicht einmal besonders maskulin finde ich ihn, er könnte sogar (sofern man Lederdüfte mag) als nahezu unisex durchgehen. Er hat sogar etwas, ja, fast “Zahmes” an sich. Etwas Idyllisches – freundlich und ruhig statt “extrem” und laut, besonders erotisch und/oder sinnlich finde ich ihn auch nicht, und in die Fetisch-Kategorie muss er schon gar nicht (es sei denn, man stellt jegliche Vorliebe für Leder in diese Ecke).
In der Anfangsphase erinnert mich der Duft übrigens an Schwarzloses “Leder 6” (ehemals “Fetisch” – irgendwie scheint man alles, was nach grobem Leder und Gummi riecht, in diese Richtung zu assoziieren?). Nur, dass diese heftig süße, eindeutig feminine, Vanillemilch-Note bei Tom of Finland fehlt. Tom of Finland ist ledriger, würziger, etwas weniger schrill.
Daneben erinnert mich der Duft auch noch etwas an Cuir Erindil von Maison Incens, wobei der noch einmal ein Stückchen zahmer ist – und dazu einen auffälligen Zitroneneiscreme-Akkord hat. Das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Tom of Finland und den zwei anderen Düften könnte, kurz gefasst, sein, dass es hier Nadelwald und frische Luft anstelle von süßen Speisen und Getränken gibt 😉 Insgesamt ein wirklich bemerkenswerter Lederduft!